«In diesem Zimmer sprechen wir deutsch»

4. April 2024
An der Poststrasse werden fremdsprachige Jugendliche in drei Integrationsklassen auf den Übertritt in Regelklassen oder Anschlusslösungen vorbereitet. Welche Herausforderungen stellen sich? Wo feiern sie Erfolgserlebnisse? Ein Besuch in den Klassenzimmern.

«Macht ihr das in Syrien auch so?» Der Junge schüttelt den Kopf. Er durchschaut aber das System, nach dem in der Schweiz schriftlich multipliziert wird, schnell. Ukraine, Albanien, Afghanistan, Italien, Türkei, Spanien, Serbien, Mexiko, Eritrea: Dies sind die weiteren Heimatländer der 33 Schülerinnen und Schüler, die im Zentrum Werken in den drei Integrationsklassen den Unterricht besuchen. Eine 16-Jährige erzählt, sie habe soeben eine Schnupperlehre als Polymechanikerin hinter sich. Der Jüngste hat Jahrgang 2015. Nicht nur die Unterschiede im Alter sind gross, sondern auch jene in den schulischen Fähigkeiten. Zum Beispiel habe einer der Schüler während eines Jahres den Kindergarten besucht und sei nachher auf der Flucht gewesen, berichtet die Lehrerin Katrin Looser. «Unterwegs hat er ein wenig Englisch gelernt.» Andere sind mündlich sehr interessiert und vif, haben aber Schwierigkeiten mit dem Schreiben. «Und manchmal haben wir auch sehr Begabte bei uns.»

Sie wechseln früher oder später
Sie erzählt von einer ehemaligen Schülerin, die nun in Appenzell das Gymnasium besuche. Auch ein paar der aktuellen Jugendlichen wohnen nicht in Herisau, sondern kommen aus der Region. Einige sind aus Krisengebieten hierhergezogen, andere wegen der Arbeit der Eltern oder aus verwandtschaftlichen Gründen. Manche wechseln auf Beginn des Schuljahres in eine Regelklasse, andere früher – je nach Deutschkenntnissen und allgemeinen Fähigkeiten. Eine riesige Herausforderung ist es, passende Anschlusslösungen zu finden, wenn Jugendliche aus dem Schulalter heraus sind. Da kann eventuell ein kantonales Brückenangebot genutzt werden. «Oder der Jugendberater hilft mit seinem wertvollen Netzwerk, wenn es um konkrete Bewerbungen geht.» Ein Jugendlicher übt in diesen Tagen speziell den Wortschatz aus der Berufswelt, damit er für die Berufswahl in der zweiten Oberstufe besser vorbereitet ist.

Neun kommen aus der Ukraine
Vom Frühling 2022 bis im Sommer 2023 führte die Schule Herisau zusätzlich eine spezielle Integrationsklasse für die fünf- bis siebenjährigen Flüchtlingskinder aus der Ukraine. «Diese sind nun in Regelklassen integriert oder in die Heimat zurückgekehrt», sagt Carol van Willigen, die in der Schulleitung für die Integrationsklassen zuständig ist. Aktuell besuchen neun Jugendliche aus der Ukraine den Unterricht an der Poststrasse. Sie bilden keine eigene Gruppe. «Ihre Voraussetzungen sind verschieden, es macht Sinn, sie nach Niveaus zu fördern.» Zudem werde weniger in der Muttersprache gesprochen, wenn die ukrainischen Jugendlichen mit Schülerinnen und Schülern anderer Nationalitäten an den Tischen sitzen. «In diesem Zimmer sprechen wir deutsch», ist auf einem Plakat zu lesen.

In Wald, Turnhalle und Werkräumen 
Daniel Peter und Angela Inauen-Stefani führen die anderen Klassen; Alina Tochenyuk ist als Ergänzungslehrperson tätig. «Wir arbeiten mit individuellen Programmen, was materiell und organisatorisch anspruchsvoll ist», erzählt Katrin Looser. Das können Dossiers mit Blättern sein, Teile aus Lehrmitteln, digitale Angebote. Vieles habe sie im Laufe der Zeit zusammengesucht, sagt sie. Dialoge sind als Abwechslung und Sozialform wichtig. Die Schülerinnen und Schüler besuchen auch Werk-, Handarbeits- und Zeichnungsstunden, die Turnhalle und das Hallenbad. «Zu Beginn des Tages machen wir einen spielerischen Einstieg. Zwischendurch braucht es Auflockerungsübungen, oder wir spielen Ukulele und singen dazu. Am Donnerstagnachmittag sind wir im Freien, zum Beispiel im Wald, oder wir schauen, wer wo wohnt. Auch so lernen sie Deutsch.» Kurz vor Schluss des Vormittags steht diesmal für einige ein «Kahoot»-Quiz auf dem Programm. «Das lieben sie», sagt die Lehrerin. «Welche der drei Zahlen ist kleiner als 10.10?» Die Schülerinnen und Schüler geben ihre Lösung auf dem iPad ein – danach wird an der interaktiven Tafel angezeigt, wer richtig gelegen hat. «Was ist die Hälfte von 3.5?», heisst es nun. «Oha, das müssen wir anschauen», stellt die Lehrerin mit Blick auf die Antworten der Jugendlichen fest. 

Katrin Looser kontrolliert die Arbeiten der Schülerinnen.
Katrin Looser kontrolliert die Arbeiten der Schülerinnen.

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